Die Bedeutung der Modalverben in juristischen Texten

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Modalverben spielen im deutschen Recht eine wesentliche Rolle, da sie die Verbindlichkeit, Erlaubnis oder Möglichkeit bestimmter Handlungen präzise definieren. Ihre Interpretation kann erhebliche Auswirkungen auf die rechtliche Einschätzung von Verträgen, Gesetzen und Verordnungen haben.

1. Verpflichtung und Notwendigkeit: „müssen“ und „sollen“
Das Modalverb müssen drückt eine zwingende Verpflichtung aus. In juristischen Texten bedeutet es, dass eine Handlung ohne Ausnahme erforderlich ist („Der Mieter muss die Miete bis zum dritten Werktag zahlen“). Sollen hingegen verweist oft auf eine Empfehlung oder eine Erwartung, die jedoch nicht zwingend einklagbar ist („Die Parteien sollen eine gütliche Einigung anstreben“).

2. Erlaubnis und Verbot: „dürfen“ und „können“
Dürfen beschreibt eine rechtliche Erlaubnis oder eine Befugnis („Der Arbeitnehmer darf Homeoffice beantragen“). In der negativen Form signalisiert es ein Verbot („Es darf nicht ohne Genehmigung gebaut werden“). Können hingegen deutet auf eine Möglichkeit hin, bedeutet aber keine Verpflichtung oder ein automatisches Recht („Der Antrag kann innerhalb von vier Wochen gestellt werden“).

3. Wille und Absicht: „wollen“
Wollen beschreibt eine subjektive Absicht oder einen bestimmten Willen, wird aber selten in rechtlichen Texten verwendet. Wenn es vorkommt, drückt es die geplante Intention einer Vertragspartei oder eines Gesetzgebers aus („Der Gesetzgeber will mit dieser Regelung die Verbraucher schützen“).

4. Empfehlung und Verpflichtung mit Ermessensspielraum: „sollen“
In Gesetzen und Verträgen signalisiert sollen häufig eine Sollvorschrift, die verpflichtend ist, jedoch mit Ermessensspielraum („Der Arbeitgeber soll auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie Rücksicht nehmen“). Dies unterscheidet sich von müssen, das keinen Spielraum zulässt.

5. Unsicherheit und Hypothesen: „mögen“
Mögen kommt in juristischen Texten selten vor, wird aber manchmal für hypothetische oder unsichere Aussagen genutzt („Es mag sein, dass weitere Regelungen erforderlich werden“). Diese Formulierung zeigt an, dass eine Entwicklung möglich, aber nicht sicher ist.

6. Modalverben in der Gesetzgebung
Modalverben spielen gerade in der Formulierung von Gesetzen eine grosse Rolle: „[…] die explizite
Modalisierung von Rechtssätzen [dient] vor allem zwei Zwecken […]: einer adressatengerechten
Perspektivierung und der Unterscheidung unterschiedlicher
Normtypen. Wenn sie richtig eingesetzt wird, kann eine explizite Modalisierung
von Rechtssätzen zu einer klareren und bürgerfreundlicheren Gesetzessprache
beitragen.“ (Stefan Höfler, Müssen oder nicht müssen? Die Modalität von Rechtssätzen aus
redaktioneller Sicht, in: LeGes 30 (2019) 2, S. 1). 
Auch in anderen juristischen Textsorten ist ein sorgfältiger, überlegter Gebrauch der Modalverben unabdingbar.

Die Wahl des Modalverbs in rechtlichen Texten beeinflusst maßgeblich deren Verbindlichkeit und Auslegung. Eine präzise Verwendung ist entscheidend, um Missverständnisse zu vermeiden und rechtliche Klarheit zu schaffen. Gerade in Verträgen, Gesetzestexten und Verordnungen muss der korrekte Gebrauch von Modalverben sichergestellt werden, um eindeutige Rechtsfolgen zu gewährleisten.

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