Die deutsche Sprache bietet für Architekten einige Besonderheiten, die sowohl im Fachjargon als auch in der allgemeinen Kommunikation relevant sind. Diese Besonderheiten betreffen unter anderem den Wortschatz, die Präzision von Begriffen und die Struktur der Fachsprache.
1. Komplexe Zusammensetzungen und Fachbegriffe
Deutsch ist bekannt für seine Wortzusammensetzungen, die es ermöglichen, sehr präzise Fachbegriffe zu bilden. In der Architektur gibt es viele zusammengesetzte Wörter, die genaue Bedeutungen haben, z. B.:
- Grundrissplanung (die Planung der Raumaufteilung eines Gebäudes)
- Tragwerkskonstruktion (die statische Struktur eines Gebäudes)
- Fassadengestaltung (das äußere Erscheinungsbild eines Gebäudes)
Diese langen substantivischen Wortzusammensetzungen können für Nicht-Muttersprachler herausfordernd sein, erleichtern jedoch eine sehr präzise Kommunikation.
2. Unterschied zwischen Alltagssprache und Fachsprache
Während Begriffe wie „Wand“, „Dach“ oder „Fenster“ in der Alltagssprache klar sind, werden sie in der Architektur oft zusätzlich präzisiert:
- Eine tragende Wand unterscheidet sich von einer nicht tragenden Trennwand.
- Flachdach, Satteldach und Pultdach sind verschiedene Dachformen mit spezifischen Eigenschaften.
Architekten müssen sich daher bewusst sein, dass viele Begriffe in der Alltagssprache ungenau verwendet werden, während sie in der Fachsprache exakt definiert sind.
3. Präzise Maßeinheiten und Normen
Die deutsche Sprache ist stark auf Normen und technische Präzision ausgerichtet. In der Architektur spielen DIN-Normen (Deutsches Institut für Normung) eine zentrale Rolle, die beispielsweise Mindesthöhen für Türen oder Sicherheitsabstände für Treppen festlegen.
- Lichte Höhe bezeichnet die tatsächliche nutzbare Raumhöhe, die oft von der Rohbauhöhe abweicht.
- Baulinie und Baugrenze definieren, wo ein Gebäude platziert werden darf.
4. Verwendung von lateinischen und französischen Begriffen
Die Architektur hat viele Begriffe aus dem Lateinischen oder Französischen übernommen, z. B.:
- Foyer (Eingangsbereich)
- Atrium (offener Innenhof)
- Enfilade (Aneinanderreihung von Räumen)
Diese Begriffe sind oft in der gehobenen Architektursprache oder in historischen Kontexten relevant.
5. Passivkonstruktionen und Nominalstil in Fachtexten
Fachtexte in der Architektur sind oft passiv formuliert und verwenden viele Nominalisierungen, was die Texte anspruchsvoller macht:
- Statt: „Der Architekt plant die Konstruktion.“
→ „Die Konstruktion wird geplant.“ - Statt: „Wir bauen das Gebäude mit nachhaltigen Materialien.“
→ „Der Bau des Gebäudes erfolgt unter Verwendung nachhaltiger Materialien.“
Diese Struktur dient dazu, Sachverhalte neutral, objektiv und präzise darzustellen, kann aber für Laien schwer verständlich sein. Zudem beinhalten solche Konstruktionen ein hohes Fehlerpotenzial, sei es die Verwendung falscher Präpositionen, nicht korrekte Funktionsverbgefüge oder ähnliches. Je komplizierter der Stil, desto höher die Fehleranfälligkeit.
6. Ästhetik und Philosophie in der Sprache
Architekten verwenden oft eine poetische oder philosophische Sprache, um Konzepte zu beschreiben. Begriffe wie „Raumfluss“, „Lichtführung“ oder „Materialität“ drücken nicht nur technische, sondern auch gestalterische Überlegungen aus. Der Architekt bewegt sich sprachlich damit zwischen zwei Extremen: einerseits einer technisch-präzisen Sprachverwendung bei der Planung und Ausführung und in der Zusammenarbeit mit den ausführenden Baufirmen, andererseits einer oftmals metaphorischen Sprache, die marketingspezifischen Bedürfnissen entspringt und sich vorwiegend an den Kunden wendet.
Die deutsche Sprache für Architekten zeichnet sich durch ihre präzisen Fachbegriffe, zusammengesetzten Wörter, technische Exaktheit und stilistische Vielfalt aus. Sie vereint die sachliche Präzision technischer Normen mit der kreativen Ausdrucksweise architektonischer Gestaltung. Wer sich in diesem Bereich bewegt, muss nicht nur technisches Wissen, sondern auch ein Gespür für sprachliche Nuancen entwickeln.