Bestimmte und unbestimmte Rechtsbegriffe – nicht nur für Juristen ein Thema

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In der Rechtssprache gibt es sowohl bestimmte als auch unbestimmte Rechtsbegriffe, die eine wesentliche Rolle bei der Auslegung von Gesetzen und juristischen Entscheidungen spielen.

1. Bestimmte Rechtsbegriffe
Bestimmte Rechtsbegriffe haben eine klare, eindeutige Definition und lassen keinen oder nur sehr wenig Interpretationsspielraum zu. Beispiele hierfür sind Begriffe wie „Mindestlohn“ oder „Volljährigkeit“, die genau gesetzlich definiert sind und objektiv feststellbare Kriterien haben. Ihre Anwendung erfolgt daher ohne größere Unsicherheiten.

2. Unbestimmte Rechtsbegriffe
Unbestimmte Rechtsbegriffe hingegen sind bewusst offen formuliert, um eine flexible Anwendung in unterschiedlichen Kontexten zu ermöglichen. Beispiele sind Begriffe wie „angemessene Frist“, „zumutbar“ oder „öffentliches Interesse“. Deren Bedeutung hängt von der konkreten Situation und der Auslegung durch Gerichte ab.

3. Bedeutung in der Rechtsanwendung
Unbestimmte Rechtsbegriffe stellen eine besondere Herausforderung dar. Sie sind oft kontextabhängig und unterliegen semantischen Interpretationen, die je nach Sprecher, Hörer oder juristischer Instanz variieren können. Zudem können sie verschiedene Konnotationen haben, was die Eindeutigkeit der Rechtsanwendung erschwert. Diese Begriffe erfordern daher eine diskursive Klärung und eine juristische Präzisierung, um Missverständnisse und Fehlinterpretationen zu vermeiden. Während bestimmte Rechtsbegriffe für Klarheit und Rechtssicherheit sorgen, ermöglichen unbestimmte Rechtsbegriffe eine situationsgerechte und gerechte Entscheidung. Sie erfordern jedoch eine sorgfältige Interpretation durch Juristen und Gerichte, um Willkür zu vermeiden.

4. Handhabung in der Praxis durch Gerichtsgutachter
Wenn vom Gericht bestellte Sachverständige sich nicht über die Unterscheidung zwischen bestimmten und unbestimmten Rechtsbegriffen im Klaren sind und diese unreflektiert verwenden, kann dies erhebliche rechtliche Folgen haben. Unbestimmte Rechtsbegriffe erfordern eine differenzierte Interpretation, während bestimmte Begriffe eine klare Definition haben. Wenn Sachverständige unreflektiert unbestimmte Begriffe als objektive Tatsachen darstellen oder bestimmte Begriffe auslegungsbedürftig behandeln, kann dies zu Fehlurteilen, unklaren Gutachten und rechtlicher Unsicherheit führen. Es ist daher essenziell, dass Sachverständige über die sprachliche und juristische Tragweite der verwendeten Begriffe aufgeklärt sind. 

Die Kombination aus bestimmten und unbestimmten Rechtsbegriffen macht das Rechtssystem sowohl stabil als auch flexibel. Das Verständnis ihrer Anwendung ist entscheidend für eine korrekte Rechtsauslegung und eine gerechte Entscheidungsfindung. Beim Verwenden dieser Rechtsbegriffe ist jedoch Vorsicht geboten: dem vom Gericht bestellten Sachverständigen beispielsweise muss die Unterscheidung zwischen beiden Begriffsarten bekannt sein, um sein Gutachten angemessen und korrekt zu erstellen.

Im Rahmen der von IASPRA in Zusammenarbeit mit Juristen durchgeführten Rhetorik-Kurse für Gerichtssachverständige werden, neben vielen anderen Themen, diese spezifischen Besonderheiten ebenfalls thematisiert.

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